Drei alten Rheinbreitbacher Heiligen-Figuren auf der Spur

Von der Jahrhunderte langen Bergbautätigkeit an Virneberg (St. Josephsberg) und St. Marienberg haben die meisten Rheinbreitbacher schon einmal gehört. Auch die Gläubigkeit der Bergleute ist seit altersher bekannt und in Rheinbreitbach durch drei Wege- / Bergwerkskreuze und die überlieferte Sage vom Bergmönch belegt. Umso verwunderlicher ist es, wieso in unserer Pfarrkirche keine alten Figuren der hl. Barbara (Schutzpatronin der Bergleute) und des hl. Josef (Schutzpatron der Grube St. Josephsberg und der Knappschaft / Bürgerverein) vorhanden sind.

Vor diesem Hintergrund macht ein kurzer Hinweis in einer Beschreibung der Rheinbreitbacher Pfarrkirche aus dem Jahre 1940 neugierig und weckt das Interesse nach weiteren Informationen.

Die hierzu aufgefundenen Quellen werden nachfolgend wegen ihre Aussagekraft im Originalwortlaut aufgeführt (Anmerkungen in Kursivschrift):

Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Paul Clemen, 1940

Seite 348, Pfarrkirche Rheinbreitbach

Zwei barocke überlebensgroße Figuren der hhl. Joseph und Helena wurden 1923 an die bei der Grube Fortuna ( Kr. Bergheim ) errichtete Kirche verschenkt.

Paul Clemen, Provinzialkonservator der Rheinprovinz, erwähnte die weibliche Figur 1940 als hl. Helena. In den nachfolgenden Quellen (1923, 1928) wurde sie jedoch ausschließlich als hl. Barbara beschrieben.

Figur aus der Kirche auf Fortuna 1976
Figur der hl. Barbara

Auszug aus der Kirchen-Chronik der Pfarrkirche St. Barbara, 1914-1930

Errichtet 1923 auf der Grube Fortuna (Braunkohle-Tagebau) bei Bergheim Seiten 19 u. 20

Figur des hl. Joseph im Depot
Figur des hl. Joseph im Depot

Damals (1923, Nachkriegszeit) war die Versorgung mit Kohlen in den Städten sehr schwierig. Die Museen fingen an, wegen der unerschwinglichen Verwaltungskosten Doppelstücke von Figuren zu veräußern. Gegen Lieferung von Brand (Kohlen / Klütten) an die Beamten wurde uns aus dem Schnütgenmuseum in Köln eine Barockfigur der Unbefleckten Empfängnis überlassen. Dieselbe passte vorzüglich in unseren Altar hinein. An den Farben wurde nichts geändert, nur das Gold etwas aufgefrischt. Jedenfalls war es eine wertvolle Bereicherung für unsere Kirche.

Zum Schluss sind noch die beiden Figuren in den Nischen zu beiden Seiten des Hauptportals zu nennen. Sie stammen nebst der Gott-Vater-Figur auf der Kanzel aus der Pfarrkirche von Rheinbreitbach. Es ist die hl. Barbara, die Patronin der Pfarrkirche und der hl. Josef, der Patron der Arbeiter. Sie haben früher dort am Hauptaltar gestanden, wurden aber wegen ihrer Größe (2,05m) entfernt und mussten dem damals herrschenden gotischen Stil weichen. Sie sind wahrscheinlich Teile des Hauptaltares der Kirche gewesen. Mit größter Wahrscheinlichkeit stammen sie aus dem Kloster Heisterbach, das die umliegenden Pfarren pastorierte und die Kirchen mit den notwendigen Ausstattungsgegenständen versorgte. So erzählen die Leute von Rheinbreitbach.

Gott-Vater-Figur in Oberaussem
Gott-Vater-Figur in Oberaussem

Die Figuren standen ganz beschmutzt und verwahrlost in dem Stall des Pfarrhauses. Ihren Wert kannte niemand, auch nicht den der Gott-Vater-Figur, die sich durch die feine Zeichnung des Kopfes auszeichnete. Damals kam gerade ein neuer Pfarrer dorthin (Alfred Ermert, 12. Juni 1923), der Bruder des hiesigen Oberingenieurs Ermert (Otto Ermert, Kirchenvorstand, ab 1927 Betriebsdirektor des Kraftwerks Fortuna I ). Da sich die Kirche in einem ganz verwahrlosten Zustande befand, und die Mittel zur Renovierung gänzlich fehlten, so war der Pfarrer geneigt, einmal aus Interesse für unsere Kirche, dann auch zur Beschaffung der notwendigen Geldmittel, uns die Figuren zu überlassen, die für unsere Nischen wie geschaffen waren. Wir entschädigten ihn durch Leinen, dessen er sehr bedurfte, was wir in der Inflation weit über unseren Bedarf eingekauft hatten.

Die beiden Figuren wurden dann nach hier geschafft und in einen Farbton gesetzt. Nachträglich hat der Provinzialkonservator, dem die Kirche von Rheinbreitbach unterstand, Einspruch erhoben, der aber bei uns unwirksam blieb, ein Zeichen, welch wertvolle Erwerbung wir gemacht hatten. Vor allem bei der Barbara-Figur war die wundervolle Linienführung in der Gewandung hervor gehoben, bei dem hl. Josef das Kind und die fein durch gearbeiteten Hände. Die Gott-Vater-Figur fand auf der Kanzel ihre Aufstellung, (seit 1958 auf dem alten Beichtstuhl). Das fein geschnittene Profil des Kopfes ist besonders auffallend. Wir haben jedenfalls bei der Beschaffung der Innenausstattung ein ganz seltenes Glück gehabt und sehr wertvolle Stücke erworben. ….

Heinrich Neuber, Visikator Joseph Ferche, im Mai 1928

Zeitungsausschnitt, Bergheimer Zeitung

vom 29. September 1923, Rubrik: Kirchliches
Beschreibung der Ausstattung aus Anlass der bevorstehenden Kirchweihe, auszugsweise

Barbara-Figur in Oberaussem
Barbara-Figur in Oberaussem

… Dieselbe große Kunst weisen die beiden Figuren der hl. Barbara, der Patronin der Kirche und des hl. Josef auf, die in Überlebensgröße dargestellt sind. Die selben sollen, wie gesagt wurde, in den beiden Innennischen zur Seite des Hauptportals Aufstellung finden. Welche Fülle von Leben in der Körperhaltung und Gewandung, trotzdem spricht aus dem Ganzen Hoheit und Würde. In der er, der sie, einem Bergmann erschienen sein soll. Sie wird als Patronin der Sterbenden verehrt. Nicht minder schön ist das Bild des hl. Josef. Er ist dargestellt als kräftiger Mann, das lange Gewand etwas geschürzt, auf den Armen ein liebliches Jesus-Kind, das sich übermütig in seinen Armen zurücklehnt und mit seinen Händchen nach seinem von prächtigem Haarwuchs umrahmten Kopf greift. Man empfindet, dass der Künstler nicht die gewohnten Wege gehen wollte und etwas persönliches schaffte, das trotzdem vertraulich und lieblich wirkt. Die Figuren entstammen einer alten Kirche am Rhein und sind wohl in das Ende des 18. Jahrhunderts zu verlegen. Aus der selben Periode stammt wohl auch die Figur von Gott Vater, die dem Deckel der Kanzel Aufstellung finden soll. Auch hier ist in dem flatternden Gewand wieder Leben und Bewegung angedeutet, während die Haltung des Kopfes und der Hände Ruhe und Majestät atmet. Die Lehre, die er dem stets sturmbewegten Leben der Menschen durch seinen Sohn gegeben hat, bedeutet Halt und Stärke und bleibt „der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht“. ….

J.F. ?

Heiligenfigur
Detail hl. Joseph

Alfred Ermert kam im März 1923 als Pfarrverwalter, ab Juni ´23 als Pfarrer, nach Rheinbreitbach. Es herrschte deprimierende Nachkriegszeit und Inflation. Der Umzug durch eine Kölner Firma kostete 3 ½ Millionen Mark. Das Pfarrhaus und Kirche befanden sich in einem erbärmlichen Zustand. Renovierungen mussten trotz leerer Kirchenkasse vorgenommen werden. Ein neues Kirchenportal wurde von der Ortsgemeinde finanziert. Durch seine sonntäglichen Appelle an die Pfarrgemeinde konnte Ermert innerhalb von 4 Monaten durch Spenden-Milliarden die notwendigsten Renovierungsarbeiten ausführen lassen. Zu Silvester 1923/24 war das alte Rheinbreitbacher Gotteshaus wieder in einen würdigen Zustand versetzt.

Die Pfarrkirche auf Fortuna bestand bis in die Jahre 1983-84, wurde dann aufgelöst und musste dem Braunkohlentagebau weichen. Die Kunstgegenstände der Kirche und die drei Figuren aus Rheinbreitbach wurden in einem Depot der Erzdiozöse Köln in Brühl eingelagert. Von hier gelangten die Figuren von St. Barbara und Gott Vater an die Nachfolgepfarrei St. Vincenz in Bergheim / Oberaussem, in deren Kirche sie heute noch stehen. Da hier bereits eine alte Josephsfigur vorhanden war verblieb der Rheinbreitbacher Joseph im Depot.

Heiligenfigur
Rückkehr des hl. Joseph 2003 in Rheinbreitbach

Da die Verehrung des St. Joseph in Rheinbreitbach immer noch eine festverwurzelte Tradition hat, ist mit der Kirchengemeinde St. Vinzenz unter der Vermittlung des Konservators der Erzdiozöse Köln Dr. Seidler ein Leihvertrag abgeschlossen worden. Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember 2003, kehrte die Figur dann nach genau 80 Jahren zu ihrem alten Standort in Rheinbreitbach zurück. In der alten rheinischen Kirche mit einem großen Anbau hat sie nun einen würdigen Standort gefunden.
Nach neu erhaltenen Informationen des Kunsthistorikers und Experten für Barockkunst  Alexander Wissmann (Uni Mainz) sind die beiden Figuren Werke des Mainzer Hofbildhauers Burkhard Zamels (um 1690 – 1757).

Jürgen Fuchs, Rheinbreitbach, im Januar 2001, ergänzt Juni 2016